„Deutschlands dumme Stromnetze“ titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 8. März 2023. Anlass des Artikels war die Veröffentlichung unserer ZVEI-Studie „Intelligent, leistungsstark, flexibel: Stromnetze der Zukunft“ mit der ernüchternden Kernaussage: Deutschlands Stromnetze sind nicht energiewendefähig. Würden jetzt die für 2030 geplante Zahl an Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen angeschlossen, würden das heute die Netze nicht stemmen können. Wir gehen derzeit von einer Leistungslücke von 80 GW über alle Spannungsebenen aus. Insbesondere in den Verteilnetzen ist die Lage angespannt, hier gibt es großen Ertüchtigungsbedarf.
Es ist ein gewaltiger Transformationsprozess, in dem wir uns derzeit befinden. Einen, den es so noch nie gab: Wir müssen die Stromerzeugung von fossiler auf CO2-freie erneuerbare Erzeugung umstellen. Wir müssen außerdem den Energieverbrauch mit diesem CO2-freien Strom weitgehend elektrifizieren. Und wir müssen dafür sorgen, dass auch dann, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Hier kommen die Netze und ihr effizienter Aus- und Umbau ins Spiel – und ihre Digitalisierung.
Erneuerbare Energien sind volatil, gleichzeitig werden dezentrale Erzeuger künftig zunehmen und der Bedarf, Leistungsschwankungen auszugleichen, wird unter diesen Voraussetzungen immer weiter steigen.
Intelligenz in die Netze bringen und durch Digitalisierung Transparenz schaffen sind deshalb hier die relevanten Lösungsansätze, um die Netze nicht zu überlasten und trotzdem mehr erneuerbare Erzeugung und elektrische Anwendungen – etwa PV-Anlagen, Wärmepumpen und Ladesäulen – anschließen zu können. Nur wenn wir kontinuierlich bis in die einzelnen Ortsnetze im Blick haben, wie der Netzzustand ist, können wir Versorgungssicherheit gewährleisten und gleichzeitig Anreize für netzdienliches Verhalten schaffen. Das bedeutet, alle verbauten Komponenten – die sogenannten Betriebsmittel – müssen empfangen und senden können – in den Übertragungsnetzen, den Verteilnetzen, den Trafostationen, am Netzanschlusspunkte etc.
Zwei wegweisenden Schritte wurden dafür 2023 getan: Mit Verabschiedung des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende, kurz GNDEW, wurde der Rollout intelligenter Messsysteme (iMsys) endlich auf rechtssichere Beine gestellt und deutlich beschleunigt. Die iMsys sind einer der Grundbausteine, um Transparenz im Netz zu herzustellen und um den zweiten Schritt überhaupt erst möglich zu machen: Im November hat die Bundesnetzagentur die Anforderungen zur Umsetzung des Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes festgelegt, also die Regelung für mögliches Steuern im Netz durch die Netzbetreiber. Gemeinsam mit den im GNDEW verankerten dynamischen Stromtarifen, die Energieversorger ab 2025 anbieten müssen, ist pünktlich zum Jahresabschluss noch ein weiteres Puzzlestück eingesetzt und der Weg auch zum markt- und netzdienlichen Verbrauchsverhalten ein Stück deutlicher geworden.
Für das kommende Jahr heißt es aber keineswegs ausruhen, denn es gibt weiterhin viel zu tun: Das Tempo beim iMsys-Rollout muss weiter hochgehalten, der physische wie digitale Netzausbau weiter unter Beteiligung aller relevanter Stakeholder geplant, vorangetrieben und endlich auch beziffert werden. Die Netzentwicklungspläne der Verteilnetzbetreiber etwa werden im Frühjahr 2024 erwartet. Es ist ein riesiges Infrastrukturprojekt, dessen Umsetzung nicht zur Debatte stehen darf. Aufwand, Kosten, Zeitplan und Aufgabenverteilung müssen daher vorgelegt und genau geprüft werden. Die Digitalisierung wird helfen, den Ausbau im Zaum zu halten – und genau deshalb müssen wir damit jetzt richtig loslegen. Das ist unser Weg zum Klimaneutralitätsnetz.